Jeden Morgen, wenn ich die Kaffeetasse ansetze und die Welt noch ein bisschen schläfrig ist, nehme ich mir zehn Minuten Zeit zum Schreiben. Nicht, um ein Meisterwerk zu schaffen, sondern um in Bewegung zu kommen — meine Gedanken zu ordnen, neugierig zu bleiben und die Schreibmuskeln täglich zu trainieren. Diese kurzen Einheiten haben mir geholfen, Schreibblockaden zu überwinden, Ideen zu sammeln und das Schreiben zu einer verlässlichen Gewohnheit zu machen. Im Folgenden teile ich meine liebsten Schreibimpulse und Routinen, die jede*n zum regelmäßigen Schreiben bringen können.
Warum täglich nur zehn Minuten sinnvoll sind
Viele denken, Schreiben brauche lange, ununterbrochene Stunden. Ich finde: Regelmäßigkeit schlägt Länge. Zehn Minuten sind kurz genug, um keine Ausrede zu finden, und lang genug, um in einen Fluss zu kommen. Kleine, tägliche Investitionen summieren sich: nach einem Monat hast du über fünf Stunden geschrieben — genug, um Themen zu erkunden, Rohtexte zu sammeln und Schreibgewohnheiten zu festigen.
Außerdem reduziert die Zeitbegrenzung den Druck. Wenn ich weiß, dass ich mich nur kurz verpflichten muss, schreibe ich freier, experimentiere mehr und zensiere mich weniger. Perfektionismus hat keine Chance in einem zehnminütigen Sprint.
Wie du die zehn Minuten strukturieren kannst
Ich nutze unterschiedliche Formate, damit die Übung frisch bleibt. Hier sind einfache Varianten, die du rotieren kannst:
- Freewriting: 10 Minuten ohne Unterbrechung schreiben, alles, was kommt. Kein Editieren.
- Prompt-basiert: Mit einer Frage oder Aufforderung starten (siehe Liste weiter unten).
- Beschreiben: 10 Minuten Detailbeschreibung eines Alltagsgegenstands oder einer Szene.
- Dialog: Einen Dialog zwischen zwei Figuren oder zwei inneren Stimmen schreiben.
- Perspektivwechsel: Ein Ereignis aus Sicht eines Tieres, eines Gegenstands oder einer anderen Person schildern.
Konkrete Schreibimpulse für je 10 Minuten
Diese Prompts verwende ich selbst immer wieder — sie sind bewusst offen und zwingen nicht zur „richtigen“ Antwort.
- Schreibe einen Brief an dein jüngeres Ich — keine Ratschläge, nur Erinnerungen.
- Beschreibe den Geruch in einem Raum, in dem du gerade warst. Führe das Detail aus.
- Erfinde eine kleine Episode, die mit dem Satz beginnt: „Am Abend, als das Licht ausging…“
- Liste zehn Dinge auf, die heute gut waren — und warum.
- Schreibe einen inneren Monolog einer Person, die im Zug sitzt und heimlich ein Foto betrachtet.
- Wähle ein alltägliches Problem und schreibe drei sehr unkonventionelle Lösungen.
- Beschreibe einen Traum, als wäre er eine Nachricht an dich selbst.
- Erfinde ein kurzes Dialog-Pingpong zwischen zwei Gegenständen auf deinem Schreibtisch.
Tools und Formate — was mir hilft
Ich habe ausprobiert, mit Stift auf Papier zu schreiben, in Notiz-Apps zu tippen oder Minutentexte in speziellen Schreib-Apps zu sammeln. Jede Methode hat Vorteile:
- Papier & Stift: Langsamer, sinnlicher, perfekt für freies Assoziieren.
- iA Writer / Bear / Ulysses: Ablenkungsfreie Schreib-Oberflächen für Fokus.
- Notion / Evernote: Ideal, wenn du deine Texte später strukturieren und sammeln möchtest.
- Timer-Apps: Ein simpler Pomodoro-Timer oder die normale Wecker-Funktion reicht — die Begrenzung ist das Wesentliche.
Ich nutze oft iA Writer für konzentrierte Sessions und Notion, um Ideen und Rohtexte zu ordnen. Für schnelle Handschriften greife ich zu einem Notizbuch von Moleskine — das hat für mich etwas Ritualhaftes.
Praktische Tipps, damit es zur Gewohnheit wird
- Plane es ein: Ich habe die zehn Minuten als festen Termin in meinen Kalender eingetragen. Morgens wirkt am besten, weil der Verstand noch nicht von E-Mails strapaziert ist.
- Mache kleine Hürden: Lege Stift oder Notebook bewusst sichtbar bereit — die physische Hürde reduziert Ausreden.
- Keine Nachbearbeitung: Nach den zehn Minuten editieren ich nicht sofort. Rohtexte bleiben roh. Das nimmt dem Schreiben seine Bewertung.
- Variiere: Wenn die Routine eintönig wird, probiere ein neues Prompt-Set, einen anderen Ort oder einmal die Sprache wechseln.
- Gemeinsam schreiben: Schreibe mit einer Freundin oder in einer Online-Gruppe (z. B. Schreib-Challenges auf Twitter oder Mastodon). So kommt Verbindlichkeit und Inspiration zusammen.
Umgang mit Schreibblockaden und Widerständen
Wenn ich blockiert bin, hilft mir oft, die Messlatte bewusst tief zu legen: „Heute schreibe ich nur drei Sätze.“ Oder ich drehe das Problem um und schreibe explizit über die Blockade. Ein Satz, den ich gern benutze: „Ich weiß nicht, was ich schreiben soll.“ Und dann schreibe ich weiter. Die Erlaubnis, schlecht zu schreiben, befreit ungemein.
Ein Beispiel-Wochenplan (10 Minuten täglich)
| Tag | Schreibimpuls | Ziel |
|---|---|---|
| Montag | Freewriting über das Wochenende | Gedankenfluss starten |
| Dienstag | Dialog zwischen zwei Personen | Stimmen entwickeln |
| Mittwoch | Beschreibe einen Geruch | Sinnliche Details schärfen |
| Donnerstag | 3 unkonventionelle Lösungen für ein Problem | Kreative Denkweisen trainieren |
| Freitag | Brief an das zukünftige Ich | Perspektive erweitern |
| Samstag | Mini-Szene mit 3 Sätzen | Verdichtung üben |
| Sonntag | Rückblick: 10 Dinge, die gut waren | Dankbarkeit und Fokus |
Was man erwarten kann — und was nicht
Erwarte nicht, dass aus jeder zehnminütigen Session ein fertiger Text oder ein Bestseller entsteht. Erwartet werden darf: mehr Routine, ein größeres Repertoire an Ideen, weniger Angst vor dem leeren Blatt und bessere Beobachtungsgabe. Manche Texte werden zu Blogposts, Kurzgeschichten oder Studienideen; viele bleiben kurze Notizen. Beides ist wertvoll.
Wenn du willst, kannst du deine Ergebnisse sammeln und einmal im Monat durchsehen. Oft entdeckst du wiederkehrende Themen oder Formulierungen, die sich zu größeren Projekten zusammenfügen lassen. Und falls du neugierig bist: Auf https://www.sachaschmid.ch teile ich immer wieder kleine Schreibimpulse und Beobachtungen aus meinem Alltag — vielleicht ist dort auch ein Impuls dabei, der dich anspricht.